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Ein Fotografie-Blog

Das Sofortbild im Sofortbild – Travelling SX 70

Die Idee zur Serie „Travelling SX 70“ ist eher zufällig auf meiner diesjährigen Reise durch die Toskana nach Mittelitalien entstanden. Um ohne Labor und Scanner auch von unterwegs ein paar analoge Fotografien auf meinen flickr-Account hochladen zu können, habe ich neben meinen neuen alten Kameras, einer Kodak Retina IIIC und einer Rolleiflex Automat, auch meine alte SX 70 mit je zwei Farb- und Schwarzweißfilmen von Impossible ins Wohnmobil gepackt. Die Idee war, ähnlich wie bei meinem Projekt „Die letzten Fotografien des 20. Jahrhunderts“ an jedem Tag der Reise ein Polaroid zu machen, es dann mit dem iPhone zu fotografieren und als optisches Reisetagebuch ins Netz zu stellen. In gewisser Weise habe ich das auch gemacht, aber schon bei einem der ersten Bilder, dem des Burgfelsens von Arco, das ich noch wie ein Repro direkt von oben fotografierte, fiel mir auf, dass da eine Beziehung zwischen dem Polaroid und seinem Hintergrund bestand.

Arco, Trentino

Arco, Trentino

Der Stein, auf den ich das Polaroid gelegt hatte, war auf dem Foto des iPhone 6s mindestens ebenso optisch präsent wie das Sofortbild des Felsens, so als wolle mir das iPhone sagen: Moment, ich bin auch eine Kamera. Das kannst du als Fotograf nicht einfach ignorieren und mich als reines Reproinstrument missbrauchen. Dem habe ich nachgegeben, analoge Revolution hin oder her. Denn irgendwie musste ich dem  iPhone recht geben. Seine Fotos von meinen Polaroids waren eine Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Fotografie, zwischen der fotografierten Welt und der realen, die dann wieder fotografiert wird. Zwei unterschiedliche Arten des Sofortbilds in einem: Eines, auf dessen Entwicklung man warten muss (oder darf) und eines, das schon im Augenblick der Aufnahme auf dem Bildschirm steht und nur noch gespeichert wird. Eines, das man danach in der Hand hält und das zu einem stofflichen Stück Realität geworden ist, und eines, das streng genommen in der realen Welt nicht existiert weil es eine Matrix aus Nullen und Einsen ist, die sich nur dann als ein flüchtiges Bild zeigt, wenn sie, von einem Finger herbei- und wieder weggewischt, für kurze Zeit auf dem Display des iphones ein bestimmtes Muster aus unterschiedlich eingefärbten Pixeln aufleuchten lässt.

Volterra, Toskana

Volterra, Toskana

Und so habe ich meinen ursprünglichen Plan des einen Sofortbilds pro Tag aufgegeben und statt dessen mit diesem Gegensatz zwischen Realität und Bildern gespielt. Ich habe im Lauf der Reise immer wieder einmal ein Polaroid gemacht und es mit einem gewissen zeitlichen Abstand mit dem iphone fotografiert. Mal lagen 10 Minuten zwischen der analogen und der digitalen Aufnahme, mal ein oder zwei Tage.

Interessant war, dass sich die farbigen Polaroidfilme im sommerheißen Wohnmobil dramatisch veränderten. Waren ihre Farben in den ersten Tagen noch halbwegs lebendig, so ließen sie von Tag zu Tag nach bis am Schluss nur noch fast monochrome Bilder mit einem leichten Hauch von Farbe aus der Kamera kamen. Dabei blieben die Fotos, waren sie erst einmal entwickelt, stabil. Die Veränderung fand im unentwickelten Film statt, und weil ich mit einem Schwarzweißfilm angefangen hatte, war die Veränderung der Farbfilme schon recht fortgeschritten noch bevor ich das erste Bild geschossen hatte. War das damals, als meine SX 70 noch neu war und die Filme von Polaroid selber kamen, auch so? Ich glaube nicht, allerdings waren auf meiner sechswöchigen Norwegenreise im Jahr 2000, auf der ich viel mit der SX 70 fotografiert habe, auch die letzten Bilder so farbintensiv wie die am ersten Tag. Gut, in Norwegen herrschten im Wohnmobil keine Temperaturen von über 35 Grad, und auf der nächsten Reise in den Süden bewahre ich die Filme im Kühlschrank auf. Aber wie ist das, wenn sie erst einmal in der Kamera sind? Muss die SX 70 dann zwischen Weißwein, Bier und Gorgonzola reisen? Die Schwarzweißfilme haben die Temperaturen übrigens viel besser weggesteckt, da konnte ich kaum Veränderungen erkennen.

Zwei "Impossible" Polaroids. Das linke nach einer, das rechte nach drei Wochen in einem heißen Wohnmobil

Zwei „Impossible“ Polaroids. Das linke nach einer, das rechte nach drei Wochen in einem heißen Wohnmobil

Und noch etwas ist mir an den neuen Filmen im Gegensatz zu den früheren aufgefallen. Konnte man damals noch mit einem Stift im sich entwickelnden Polaroid herummalen und es wesentlich verändern, scheint mir das mit der neuen Emulsion nicht mehr so gut zu gehen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie trockener ist, sich nicht mehr so gut mit der Spitze des Stiftes herumdrücken lässt, was die Möglichkeiten zur Veränderung doch ziemlich einschränkt. Möglicherweise hat das auch mit der zu heißen Lagerung zu tun, ich werde das demnächst einmal überprüfen, wenn ich mir wieder einen neuen Film gekauft habe.

Zwei Polaroids - das linke ein 18 Jahre altes, mit einem Kugelschreiber bearbeitetes original Polaroid, das rechte ein "Impossible" Polaroid von 2018, bearbeitet mit einem Apple Pencil

Zwei Polaroids – das linke ein 18 Jahre altes, mit einem Kugelschreiber bearbeitetes original Polaroid, das rechte ein „Impossible“ Polaroid von 2018, bearbeitet mit einem Apple Pencil

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The instant of an instant – Travelling SX 70

My project „Travelling SX 70“ originated during this years journey to Italy. In order to feed my flickr-account with analog travel photos i added my old Polaroid SX 70 together with a couple of b&w and color Impossible films to my mobile photographic gear which consisted of a Kodak Retina IIIC and a Rolleiflex Automat. My plan was (similar to my Project „The last Photographs of the Twentieth Century i did in 2000) to shoot a new polaroid every day or so, reproduce this with the camera of my iPhone 6s and upload that to flickr. When i took the first picture of the first Polaroid shot in Arco, Trentino, i noticed that the background of the picture – a flat piece of rock – had a pictorial life of its own. It was like the iphone wanted to say: Hey, i am a camera too! Don’t use me as just a means to reproduce something. And right it was!
The first Polaroid in my project - Arco, Trentino

The first Polaroid in my project – Arco, Trentino

The pictures of the polaroids i took with it were a linke between digital and analog photography, between the real world and the world depicted in a photograph which when photographed again becomes a part of the real world itself. Interesting. I had two different kinds of instant picture in one. The kind where you have to wait until it materializes itself via a chemical process and the other kind that is on your display all the time and gets frozen into bits and bytes by touching a virtual button. One you can hold in your hand as a piece of  substance matter, the other is only digital information remembered on a tiny chip and is not really a part of the material world, just a matrix of false and true that, when activated, tells a display which pixels it has to light up in different colors.
A developing polaroid on my knee in Volterra, Tuscany

A developing polaroid on my knee in Volterra, Tuscany

After realizing that i gave up my original plan of taking an instant picture a day and uploading it via my iphone. Instead i started to explore the interaction of pictures and reality. During my journey i took a couple of polaroids which i held in front of a real scene (the same as in the polaroid or another) after some time had elapsed. Sometimes it were just the 10 minutes i had to wait for the polaroid to develop, sometimes one or two days. You can see most of them in the gallery above. An interesting thing was how dramatically the color instant film changed after just a few hot summer days in my camping car. While the colors of the first pictures i took were still kind of okay – albeit a bit too warm – , they quickly deteriorated the longer the films were exposed to the heat. The last color pictures i took were of a bluish grey that showed no reds at all. Once developed, the colors remained stable, the deterioration took place in the undeveloped emulsion.

Two „Impossible“ polaroids. Left after one week in a hot camping car, right after three weeks

Now i know i should have kept the films in the fridge of my camping car and maybe i should have put the SX 70 there too to travel in darkness amongst beer and wine bottles an chunks of italian cheese. I tried to remember how heat sensitive the original polaroid films were when i did my last big project in 2000 on a six week journey to Norway. Okay, in the north you never have temperatures of 35 degree Celsius inside a camping car. But still i think the films were different then. At least in one respect: During my old project i used to alter the developing Polaroids by scratching their surface with the tip of a ballpoint pen, creating my own drawings overlaying the photographed picture. I remember the chemical substance under the clear plastic coating of the pictures to be more soft and malleable than the one of the new Impossible stuff. When i run my finger over the now 18 years old Polaroids of my Year 2000 project i can still feel the lines i created with my ballpoint pen while the Impossible pictures remain perfectly flat after the same procedure. Whether this is also due to the heat the film has been subjected to i will be able to tell when i purchase a fresh pack and do some testing.

Two altered Polaroids. Left a 18 year old original Polaroid, right a contemporary „Impossible“ polaroid

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