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Ein Fotografie-Blog

Cord oder Flex? Ein Rollei-Vergleichstest

Bauernmädchen vs. Dame von Welt

Wir wissen es alle: Man soll nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Und eine Rolleiflex nicht mit einer Rolleicord. Schließlich war die eine zu ihrer Zeit eine glamouröse Kameraprinzessin, die andere deren kleine, von der Natur (oder ihren Konstrukteuren) weniger reizvoll ausgestattete Schwester. Die Rollei für denjenigen, der keine „Flex“ abbekommen hat. Aber was macht man als bekennender Rolleiflex-Fan, wenn einem für wenig Geld eine etwas ramponierte Rolleicord zuläuft, mit der es sich nach einer selbst vorgenommenen Reinigung des verharzten Verschlussmechanismus überraschend gut fotografieren lässt? Dann wird man neugierig und macht doch den Vergleichstest zwischen Äpfeln und Birnen, zwischen Villarriba und Villabajo, zwischen Flex und Cord.

Aber mit welcher Rolleiflex?

Das grundlegende Problem bei diesem Kräftemessen ist die Frage: Welche Rolleiflex nimmt man dafür her? Der direkte Vergleich dieser selber hergerichteten Rolleicord IIe aus dem Jahr 1950 mit meiner zehn Jahre jüngeren Rolleiflex 3.5F, einer meiner Lieblingskameras überhaupt, wäre ausgesprochen unfair. Zehn Jahre Altersunterschied sind eine Menge Holz, selbst bei zeitlosen Kameras wie diesen, deren Konstruktionsprinzipien sich in den vielen Jahrzehnten ihrer Produktion nie grundsätzlich verändert haben. Zum Glück besitze ich noch eine zweite Rolleiflex, eine weniger üppig ausgestattete Rolleiflex Automat 6×6 – Modell K4A. Die liegt mit ihrem Baujahr zwischen 1951 bis 1954 zeitlich näher an der Rolleicord und verzichtet zudem auf typischen 3.5F-Schnickschnack wie einen eingebauten Belichtungsmesser und Fresnell-Linsen an der Mattscheibe.

Vorhang auf also für die Rollei-Sisters aus den frühen 50er-Jahren, der Zeit der Petticoats, der Schmalzlocken und der Nierentische. Zwei Kameras, die sich in mancherlei Hinsicht gleichen wie ein Ei dem anderen und bei näherer Betrachtung doch als ziemlich ungleiche Geschwister herausstellen.

Familienbande

Beginnen wir mit den Gemeinsamkeiten. Auf den ersten Blick sieht man den Schwestern sofort an, dass sie aus derselben Familie stammen: Beide sind zweiäugige Spiegelreflexkameras mit Lichtschachtsucher, Zentralverschluss im Aufnahmeobjektiv und einem praktischen Bajonett an der Vorderseite der Objektive, an dem man Filter und anderes Zubehör befestigen kann. Während meine 3.5F das etwas größere Bajonett II verwendet, haben die Automat und die Rolleicord IIe beide das Bajonett I. Ein nettes Detail, denn so kann ich das Zubehör, das ich mir im Lauf der Jahre für die kleine Flex angeschafft habe, ohne Probleme auch an der Cord verwenden. Und dieses Zubehör wie zum Beispiel drei verschiedene Nahlinsen erweitert das Einsatzgebiet der Kameras, deren geringste Entfernungseinstellung ohne Zubehör bei ca. einem Meter liegt, doch ein gutes Stück. Weitere Gemeinsamkeiten beider Kameras sind der für Elektronenblitzgeräte synchronisierte Blitzanschluss, ein Stativgewinde im Boden und eine Tafel an der Rückwand, auf der man Belichtungswerte für unterschiedliche Lichtsituationen und Jahreszeiten ablesen kann – recht praktisch für Kameras ohne Belichtungsmesser.

Die Sportsucher-Schau

Auch ein Vergleich der beiden Lichtschachtsucher lässt zunächst keine größeren Unterschiede erkennen: Hat man sich einmal an das helle Sucherbild auf der durch eine Fresnel-Linse aufgepimpten Mattscheibe meiner 3.5F gewöhnt, meint man bei beiden in ein finsteres Loch mit schlecht ausgeleuchteten Ecken zu blicken. Aber damit hört die Gleichheit der Suchersysteme von Cord und Flex aber auch schon auf.

Bei der Helligkeit der Mattscheiben sind die Unterschiede zwischen Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts) gering

Bei der Helligkeit der Mattscheiben sind die Unterschiede zwischen Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts) gering

So lässt sich der Lichtschacht der Rolleiflex – wie bei vielen anderen Rolleiflexen und späteren Rolleicords auch – durch Umklappen der vorderen Lichtschachtwand in einen „Sportsucher“ verwandeln. Dieser ist für das Fotografieren sich schnell bewegender Motive gedacht, da das Bild auf der Mattscheibe konstruktionsbedingt seitenverkehrt ist und bei der Motivverfolgung einiges an Gehirngymnastik erfordert. Im Prinzip ist der Sportsucher der Rolleiflex nicht mehr als zwei Rahmen, durch die hindurch man sein Motiv direkt anpeilt, ohne Mattscheibe, Spiegel oder eine Möglichkeit, die Entfernung zu messen. Aber halt – eine Rolleiflex wäre keine Rolleiflex, wenn sie nicht auch bei Verwendung des Sportsuchers einen Weg zum Scharfstellen böte. Dies geschieht dadurch, dass der vordere Teil des Lichtschachts nicht ganz umklappt, sondern in einem Winkel von ca. 20 Grad stehen bleibt. Weil an seiner Rückseite ein Hilfsspiegel angebracht ist, kann der Rolleiflex-Fotograf durch ein kleines Okular unterhalb des hinteren Sportsuchereinblicks auf einem Teil der Mattscheibe eben doch scharfstellen.

Bei der Rolleicord sucht man diese ziemlich geniale Hilfskonstruktion vergebens, hier besteht der vordere Teil des Lichtschachts aus einem Stück und kann so nicht durch teilweises Umklappen in einen Rahmen zum Durchblicken verwandelt werden. Aber halt: Da gibt es diesen schlanken Hebel auf der Seite des Lichtschachts, mit dessen Hilfe man ebenfalls einen Hilfsspiegel hochklappen kann. Und dieser ist, im Gegensatz zu dem der Rolleiflex, sogar so groß, dass er dem Fotografen bei in Augenhöhe gehaltener Kamera ein die ganze Mattscheibe zeigendes und darüber hinaus auch noch seitenrichtiges Bild bietet, das nur einen einzigen Schönheitsfehler hat: es steht auf dem Kopf.

Die Sportsucher bei Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts)

Die Sportsucher bei Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts) Hier kann man gut den Durchblick durch den Sportsucher der Rolleiflex sehen, während man bei der Rolleicord von oben auf den hochgeklappten Hilfsspiegel blickt.

Schwestern? Ja! Eineiige Zwillinge? Nein!

Schon hier sieht man: Die Rollei-Sisters sind keine eineiigen Zwillinge, sondern zwei recht unterschiedliche Kameras. Auch haptisch merkt man es auf den ersten Griff: Die Cord wirkt in vielen Aspekten einfacher konstruiert, blecherner und billiger – was sie ja schließlich auch war:

Die Rolleicord ist optisch und konstruktiv schlichter ausgeführt als ihre modische Schwester – vieles, was an der in mattem Chrom schimmert, ist bei der Cord schwarz lackiert, und auch konstruktive Details wie die Verriegelung der Rückwand unterscheiden sich gravierend. Bei der Flex geschieht sie über einen mittels eines aufwändig konstruierten Drehsystems doppelt gesicherten Aluminiumhebel, bei der Cord muss eine einfache Spange aus Federstahl denselben Zweck erfüllen. Auch an Details wie dem Stativgewinde – bei der Flex eine polierte Aluminiumscheibe, bei der Cord ein schwarz lackiertes Blechpressteil – kann man erkennen, dass die Rolleicord mit einfacheren Mitteln auskommen muss.

Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts) von unten.

Rolleiflex (links) und Rolleicord (rechts) von unten. Hier sieht man deutlich, dass die Rolleicord preiswerter gefertigt wurde.

Transportsysteme

Eine weitere Sparmaßnahme zeigt sich an der Art, wie die beiden Kameras das erste Bild eines frisch eingelegten Rollfilms erkennen.
Bei der Rolleicord kommt das von vielen alten Mittelformatkameras bekannte rote Glasfenster am Boden der Kamera zum Einsatz, durch das der Fotograf die auf das Lichtschutzpapier des Films gedruckten Zeichen beobachten muss. Hat er den Film bis zur Zahl „1“ gedreht, darf er das Fenster mittels eines Stahlschiebers verschließen und das Zählwerk der Rolleicord durch gleichzeitiges Drücken eines Knopfes im Transportknebel und eines kleinen Metallschalters gleich darunter ebenfalls auf „1“ stellen. Danach wird der Filmtransport zum Kinderspiel: Man muss nur den Knopf im Knebel drücken und diesen weiterdrehen, bis er automatisch beim nächsten Bild einrastet. Im Gegensatz zu anderen Kameras der Zeit, die bei jedem Filmtransport einen Blick ins rote Fenster verlangen, ein großer Fortschritt. Doch aufgepasst: Spätere Rolleicords (z.B. die beliebte Model V) müssen anders geladen werden, hier fällt das rote Fenster weg, dafür befinden sich auf der Filmbühne zwei Marken für die Startpfeile des Rollfilms.

Könnte eine Kamera die Augen – pardon, die Objektive – verdrehen, würde das die Rolleiflex  angesichts dieser umständlichen Filmeinlegeprozedur ihrer minderbemittelten Schwester tun. Bei ihr, der zu ihrer Zeit Grande Dame des Hauses Franke und Heidecke, geht so etwas nämlich sehr viel eleganter vonstatten. Rote Fenster und Startpfeile kennt eine Rolleiflex nicht, bei ihr kommt eine automatische Filmerkennung zum Einsatz, der sie übrigens auch ihren Modellnamen „Automat“ verdankt. Und die hat es in sich, diese automatische Filmerkennung, denn sie hat schon so manchen Fotografen – mich eingeschlossen – an den Rand der Verzweiflung gebracht. Legt man nämlich den Film wie man bei älteren Rolleiflexen und ihren Nachbauten üblich, über die drei metallenen Walzen  an der Rückseite der Kamera, stoppt die Kamera diesen nicht beim ersten Bild, und ehe man es sich versieht, hat man einen kompletten Rollfilm auf die Aufnahmespule gekurbelt, ohne ein einziges Bild gemacht zu haben. Schweinerei, die Kamera ist kaputt! Nein, ist sie nicht, man hat nur nicht erkannt, dass bei den Rolleiflexen ab der „Automat“ der Film unter die erste, etwas dickere Metallwalze gefädelt werden muss.  Diese dient nämlich nämlich nicht, wie die anderen beiden, der  besseren Planlage des Films, sondern drückt ihn auf einen Fühler, der seine Dicke misst. Die ist bei einem frisch eingelegten Rollfilm, dessen Anfang nur aus dem Lichtschutzpapier besteht, zunächst ziemlich gering, und erst wenn Papier plus Filmemulsion unter der Walze hindurchgezogen werden, erkennt das der Fühler und stoppt den Film am ersten Bild. Eine geniale Konstruktion, die zudem rein mechanisch funktioniert. Allerdings soll diese erstaunliche Technik nicht ganz frei von Fehlern sein. Mir selber ist es noch nicht passiert, aber im Internet liest man hin und wieder, dass wegen der dünneren Trägermaterialien moderner Rollfilme diese Erkennung heute angeblich nicht immer hundertprozentig zuverlässig funktioniert. Und weil auch bestens konstruierte mechanische Teile irgendwann einmal kaputt gehen können und dann aufwändige Reparaturen erfordern, bin ich fast dazu geneigt, der rustikalen Rolleicord in puncto Filmtransport einen kleinen Pluspunkt gegenüber ihrer mondäneren Schwester einzuräumen.

Gut aufgenommen – die Aufnahmeobjektive

Kommen wir zu den Objektiven, von denen ja jede der beiden Kameras dero zwei besitzt. Zuerst die Aufnahmeobjektive: Hier kommen bei der Flex wie der Cord Vierlinser vom sogenannten „Tessar-Typ“ zum Einsatz, also Cooke’sche Triplette mit verkitteter Hinterlinse. Diese schon 1902 patentierte Objektivrechnung gilt noch heute als eine, an deren Schärfe es nichts zu meckern gibt. Allerdings lässt sich bauartbedingt eine höhere Lichtstärke als 1:2.8 kaum verwirklichen, und so  lässt die größte Blende von 1:3,5 bei unseren beiden Probanden weder die Available-Light-Fotografen noch die Bokeh-Fetischisten in Jubel ausbrechen, aber zweiäugige Spiegelreflexkameras sind nun mal keine Lichtstärken-Protze – mehr als 1:2.8 waren selbst bei den absoluten Top-Geräten dieser Gattung mit fünf- oder sechslinsigen Objektiven nicht drin. Aber kommen wir zurück zu unserer Rolleicord beziehungsweise -flex. Die Objektive beider Kameras haben eine Brennweite von 75mm, was umgerechnet auf das Kleinbildformat ca. 41mm entspricht und sie zu Normalobjektiven mit einem leichten Touch in Richtung Weitwinkel macht, und beide lassen sich auf f 22 abblenden. Auch wenn sie sich von den technischen Daten her damit gleichen wie ein Ei dem anderen, kommen sie von zwei verschiedenen Herstellern.

Die Rolleiflex besitzt ein Tessar von Carl Zeiss aus Oberkochem, welches sich, wegen eines Namensstreits mit den in der DDR gelegenen Original Zeiss-Werken in Jena von 1946 bis 1953 „Zeiss-Opton Tessar“ nennen musste, die Rolleicord punktet mit dem optisch durchaus ebenbürtigen Xenar, dem Konkurrenzprodukt der renommierten Firma Schneider aus Kreuznach, das ich von anderen Kameras wie meiner Kodak Retina IIF kenne und sehr schätze. Beide Objektive sind mit einer hauchdünnen bläulichen Schicht vergütet – in der Sparte Objektiv hat also keine der beiden Schwestern die Nase vorn.

Nun noch kurz zu den Sucherobjektiven: Die Rolleiflex benützt dafür das von Rollei selbst gerechnete und produzierte Heidosmat mit der Lichtstärke 1:2.8, während sich in der Rolleicord laut Quellen im Internet ein Xenar mit der Lichtstärke 3.2 befinden soll – eine Bezeichnung ist aber an deren Sucherobjektiv nicht zu finden. In puncto Objektive lautet deshalb mein Urteil: Geschmackssache. Xenar und Tessar tun sich optisch nichts, ich besitze und liebe beide Objektive an meinen unterschiedlichen Kleinbildkameras, wo sie mich beide immer wieder zu begeistern wissen.

Ebenbürtige Objektive: Das Zeiss-Opton Tessar der Rolleiflex (links) und das Xenar von Schneider-Kreuznach der Rolleicord (rechts). Ebenfalls gut zu erkennen die Einstellräder der Rolleiflex für Blende und Verschlusszeit (zu beiden Seiten des Schriftzugs „Synchro-Compur“, die bei der Rolleicord fehlen.

Die Verschlüsse – hier scheiden sich die Geister

Und nun zu den Verschlüssen: Die Rolleicord ist mit einem Compur-Rapid Verschluss ausgestattet, der Zeiten von 1 bis 1/250stel Sekunde in der alten Reihung 1/2/5/25/50/100/250 bietet, ebenso wie der Synchro-Compur der Rolleiflex, dem man aber zusätzlich noch einen Selbstauslöser spendiert hat. Klarer Vorteil also für die Flex, auch in Hinblick auf die Bedienungselemente für Blende und Verschlusszeit, die bei beiden Kameras stark unterschiedlich sind: Die Rolleiflex verfügt bereits über die charakteristischen, verchromten und bestens zu bedienenden Einstellräder, die auch die 3.5F und alle anderen späteren Modelle dieser Kamera zieren, bei der Cord werden Blende und Verschlusszeit – übrigens ohne Raststufen – über zwei filigrane Blechhebelchen rechts und links des Verschlusses eingestellt. Ablesen muss man die Werte zudem in zwei winzigen Fensterchen, während die Rolleiflex Automat schon über ein auch bei späteren Flexen verwendetes Fenster oberhalb des Sucherobjektivs verfügt, in dem man Blende und Verschlusszeit in großen Zahlen bequem von oben her ablesen kann.

Ein dicker Pluspunkt in Bezug auf Ergonomie also für die Rolleiflex, deren arme Schwester sich hier auf ganzer Linie geschlagen geben muss? Ja und nein,  denn zur Ergonomie gehört immer auch das gesamte Bedienungskonzept einer Kamera, welches einen entscheidenden Einfluss darauf nimmt,  wie einem das Fotografieren mit ihr von der Hand geht. Und hier hat die kleine, billigere Rolleicord – zumindest meiner Auffassung nach – eine ganze Menge zu bieten.

So ähnlich sich die beiden Schwestern auch sein mögen, das Fotografieren mit ihnen weist doch eine Reihe grundlegender Unterschiede auf. Nehmen wir das Scharfstellen. Das geschieht bei beiden Kameras mittels eines – zumindest im Vergleich mit der 3.5F – ziemlich kleinen Knopf aus Aluminium, der durch eine eingefräste Rändelung selbst mit Handschuhen recht gut zu greifen ist. Tatsächlich gehört dieser Knopf zu der Handvoll Bauteile, die bei Cord und Flex absolut identisch sind (die Halteknöpfe für die Filmspulen sowie der Synchro-Kontakt für das Blitzkabel gehören auch dazu, ansonsten aber weisen so gut wie alle Bauteile, selbst wenn sie die gleiche Funktion erfüllen, mehr oder weniger deutliche Unterschiede auf). Aber auch wenn sich die Knöpfe zur Entfernungseinstellung wie ein Ei dem anderen gleichen, so gibt es einen entscheidenden Unterschied: Sie befinden sich auf unterschiedlichen Seiten des Gehäuses. Bei der Rolleiflex wird die Entfernung links eingestellt, während die rechte Hand mit der flex-typischen Kurbel den Film transportiert und damit auch gleich den Verschluss spannt. Bei der Rolleicord hingegegen finden sowohl das Scharfstellen als auch der Filmtransport (mittels eines geriffelten Drehknopfes, von dem weiter oben bereits die Rede war) auf der rechten Kameraseite statt. Zunächst war das für mein in Jahren mit der Rolleiflex trainiertes Muskelgedächtnis etwas ungewohnt, aber ein paar Filmen mit der Rolleicord Zeit fand ich diese Anordnung ziemlich durchdacht, um nicht zu sagen: genial. Weil Filmtransport und Scharfstellen beide mit der rechten Hand bewerkstelligt werden, kann die linke beim Fotografieren ständig an dem kleinen Hebel unterhalb des Verschlusses bleiben, der den Verschluss mit einer Bewegung nach rechts spannt und mit einer Bewegung nach links auslöst.

Auslöser bei der Rolleicord: Der mit einem Rändelknopf versehene Hebel unterhalb des "H" von Franke @ Heidecke

Als Auslöser bei der Rolleicord dient der mit einem Rändelknopf versehene Hebel unterhalb des „H“ des Schriftzugs “ Franke & Heidecke“, mit dem man nach der Aufnahme auch gleich wieder den Verschluss spannt

Doppelbelichtungen – ein Kinderspiel

Dieses Prinzip, ist es einem erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen, funktioniert in meinen Augen ein ganzes Stück organischer als das der Rolleiflex, bei der man auf der linken Seite der Kamera scharfstellt und auf der rechten den Film transportiert und den Verschluss auslöst. Da man aber immer auch eine Hand braucht, um die Kamera zu halten, muss man bei jedem Wechsel zwischen Scharfstellen und Filmtransport umgreifen: Beim Scharfstellen hält man die Kamera mit der rechten Hand, beim Filmtransport und Auslösen mit der linken. Ein etwas umständliches Prozedere, das die kleine Rolleicord nicht kennt – bei der kann nämlich die linke Hand ständig die Kamera halten und gleichzeitig noch mit dem Zeigefinger den Verschluss spannen oder auslösen, während die rechte abwechselnd den Filmtransport und das Scharfstellen übernimmt. Das ganze ist ebenso genial wie einfach und lässt die Flex im Vergleich dazu ziemlich alt aussehen. Warum Rollei bei der Rolleicord Vb, dem letzten Modell der Reihe, den Knopf zum Scharfstellen von der rechten auf die linke Kameraseite verlegt und damit dieses einmalige Bedienungskonzept zerstört hat, will sich mir nicht so recht erschließen

Und noch einen Vorteil bietet meine Rolleicord gegenüber einer Flex aus dem selben Baujahr: Mit ihr kann man, da Filmtransport und das Spannen des Verschlusses nicht gekoppelt sind, ganz einfach Doppelt- oder Mehrfachbelichtungen produzieren. Um das mit einer Rolleiflex zu erreichen, muss ich schon zu meiner 10 Jahre jüngeren 3.5F greifen – und die wollten wir ja in diesem interfamiliären Vergleichstest außen vor lassen …

Um jetzt aber die Rolleiflex nicht ganz in die zweite Reihe zu verweisen, möchte ich noch auf ihre Kurbel zu sprechen kommen, dem klassischen Erkennungsmerkmal dieser Kamera, dessen Funktion und Ausführung man gar nicht genug bewundern kann. Die schlanke, wunderschön geformte Kurbel aus poliertem Edelstahl ausklappen, mit einer halben Umdrehung nach vorn den Film zum nächsten Bild transportieren, einer halben Umdrehung zurück den Verschluss spannen – das ist ein klassischer Arbeitsablauf eines jeden Rolleifotografen, der die Kamera legendär gemacht hat. So schnell und elegant wie eine Flex kann kann keine Mittelfomatkamera den Film zur nächsten Aufnahme befördern, die Cord mit ihrem hausbackenen Drehknopf, bei dem man zudem noch umständlich eine Taste drücken muss, um ihn zu entsperren, schon gleich gar nicht.

Unter’m Strich

Was ist also mein Fazit nach diesem Vergleichstest? Es fällt – was angesichts der gravierenden Unterschiede zwischen den ungleichen Schwester nicht verwundert ,- ziemlich gemischt aus. Während sich Flex und Cord in einigen grundlegenden, die fotografischen Ergebnisse hauptsächlich bestimmenden Eigenschaften wie der Helligkeit der Mattscheibe oder der Qualität der Aufnahmeobjektive nur unwesentlich unterscheiden, hat in Hinblick auf Fertigungsqualität, Haptik und mechanische Solidität die glamouröse Rolleiflex einen meilenweiten Vorsprung. Was Handling, schlüssige Bedienungsabläufe und Reparaturfreundlichkeit anbelangt, bin ich eher geneigt, der armen, kleinen und oft unterschätzten Schwester Rolleicord den Siegerkranz auf ihr blechernes Aschenputtelhaupt zu setzen.

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