Jedes Mal, wenn ich im Sommer zu einer Reise aufbreche, stelle ich mir dieselbe Frage: Welche Fotoausrüstung nehme ich mit?
Früher, als ich ausschließlich mit dem Motorrad unterwegs war, war die Wahl der (einen) mitzunehmenden Kamera noch entscheidender, aber auch viel einfacher, weil ich damals noch nicht so viele analoge Kameras angehäuft hatte wie heute. und unter denen gab es nur einige wenige, die sich für eine im Gepäck naturgemäß eingeschränkte Motorradreise eigneten. So nahm ich damals meistens eine Klappkamera wie die Agfa Isolette I (ohne Entfernungsmesser) oder die Kodak Retina I (ebenfalls ohne Entfernungsmesser) mit, die im Tankrucksack so gut wie keinen Platz beanspruchten. Später waren es dann auch schon mal eine zweiäugige Ikoflex (Zeiss-Ikons Antwort auf die Rolleiflex) oder die Leica M3. Ich hatte schon immer ein Faible für historische Kameras (und historische Motorräder).
Aber auch modernere Apparate begleiteten mich auf meinen Reisen: Eine Nikkormat EL, eine Yashica T5 und später, als ich auf Recherchereisen für meine Bücher mit dem Motorrad-Gespann oder dem Wohnmobil unterwegs war, kamen meine professionellen Kleinbildkamerasysteme, mit denen ich mir als Fotojournalist den Rest des Jahres über mein Geld verdiente, mit auf die Reise – eine Nikon F3 oder ihre Nachfolgerin, eine Minolta Dynax 9, die mich 2000 auf einer langen Norwegenreise leider mit einem kapitalen Defekt oberhalb des Polarkreises, Hunderte Kilometer von einer Minolta-Niederlassung entfernt, im Stich ließ. Aber das ist eine andere Geschichte.
Seit ich auf meinen privaten Reisen wieder ausschließlich analog fotografiere (vom iphone als fotografischem Notizbuch und letztem Notnagel mal abgesehen), überlege ich mir schon lange vor der Abfahrt, welchen meiner inzwischen ziemlich zahlreich gewordenen analogen Schätze ich als Haupt- und Nebenkamera mitnehme. Das Bild oben zeigt, auf welche von ihnen meine Wahl dieses Jahr getroffen ist und mit was für Reisegefährten ich fünf Wochen lang in Italien unterwegs war.
Auch dieses Mal war meine Hauptkamera die Retina IIIC, eine Kamera, die mir nicht nur wegen ihres hervorragenden Retina-Xenon 2/50mm von Schneider-Kreuznach in den letzten Jahren gewaltig ans Herz gewachsen ist. Dazu ihre etwas dickliche Schwester Retina Reflex, Typ 025, die dieselben Objektivvorsätze verwendet wie die IIIC und mir bei deren Verwendung das umständliche Übertragen der gemessenen Entfernung auf Zusatzskalen an der Unterseite der Kamera erspart. Auch das Arbeiten mit Nahlinsen, das bei der IIIC einen Zusatzsucher mit eigenem Entfernungsmesser erfordert, ist auf der gut einstellbaren Mattscheibe der Reflex ein Kinderspiel.
Als dritte Kamera im Bunde hatte ich – neben einer SX70 Sofortbildkamera für den schnellen analogen Aha-Effekt und kleine Projekte, die ich während meiner Reise gerne auf flickr poste – meine Agfa Isolette III mit dem 3.5/75mm Solinar-Objektiv und ihrem wunderschönen, neuen Balgen dabei. Während ich bei den Retinas hauptsächlich Kodak ColorPlus 200 verwende, war die Isolette mit dem 320-ISO Retropan von Foma geladen, einem Schwarzweißfilm, den ich bis dato noch nie verwendet habe.
Koppi
19. März 2020 — 17:40
… schöner Artikel – ich fühlte mich um Jahrzehnte zurück versetzt…
… früher Urlaub nur mit dem Motorrad – Kamera Nikon oder Minox…
… anschließend das Warten auf die Filme – oder direkt ab in die Dunkelkammer…
… heute: (wieder) analog (Leica/ Nikon) und das Handy…
… dazu immer noch die Liebe zu alten Motorrädern und -Gespanne (die ich heute noch fahren darf)….
… und seit mittlerweile 50 Jahren immer noch die Liebe zu alten Kameras, die mir -genauso wie die alten Motorräder- immer noch so viel geben
Nantwein
19. März 2020 — 19:01
Danke für das Lob. Auch ich fühle mich um Jahrzehnte zurückversetzt, seit ich die alten Kameras (und die alten Motorräder) wieder für mich entdeckt habe. Irgendwie ging das bei mir 2017 Hand in Hand, als ich mir nicht nur eine Retina IIIc, sonderen auch eine Adler M200 (Baujahr 1953) kaufte. Inzwischen habe ich mir auch meine alte Adler M2011 – ebenfalls eine 200er, aber mit nur einem Zylinder) herrichten lassen, die seit 40 Jahren defekt bei einem Freund in der Scheune stand, und auch meine Sammlung alter Kameras hat sich durch ein paar teils spottbillige Käufe merklich vergrößert. Die Re-Analogisierung meines Lebens macht mir einen Heidenspaß, sie ist nicht zuletzt auch für diesen Blog verantwortlich.
Koppi
20. März 2020 — 14:11
… da haben wir wohl das gleiche Empfinden. Vermutlich werden wir altersmäßig auch nicht so weit auseinander liegen.
Natürlich habe ich auch (allerdings erst recht spät) digital fotografiert – aber immer durchgehend analog. Bis vor einigen Jahren wurde man genau deswegen meist nur müde belächelt. Das Bild hat sich allerdings gewandelt. Zumindest ich stelle fest: immer mehr nutzten die alten analogen Kameras. Und was mich am meisten erfreut: immer mehr junge Leute. Das ist für mich auch ein willkommener Türöffner, mit dieser Generation ins Gespräch zu kommen.
Also: das Karussel dreht sich …
Hans Mentz
24. September 2020 — 15:08
Noch einer mit gleichem Empfinden! Tochter fragte an, ob ich Lust auf einen Kurztrip Richtung Chiemsee habe. Nur einen Tagesauflug. Ja, ich wollte…. Nimm eine Kamera mit.
Habe richtig Streß gekriegt. Die Vitrine auf, ja welche nehme ich bloß mit? Es wurde die Prominent mit 3 Objektiven. Gefrierschrank (nur für Filme) dto, welche nehme ich bloß? SW oder color? Na, von jedem was.
Inzwischen den sw Film entwickelt, alles richtig gut. Film im Vergrößerer durchgezogen und demnächst ist Duka-Session. Hat mir alles richtig gut getan…
Nantwein
24. September 2020 — 18:54
Hallo Hans, den Stress kenn ich:-) Aber auch die Freude, die mir so gut wie jede meiner alten Kameras beschert. Weil jede ihren ganz eigenen Charakter hat, der meine Art zu Fotografieren stark beeinflusst und in die fertigen Bilder mit einfließt. Auch das mit den jungen Leuten kann ich bestätigen und finde es genauso gut wie du. Möge sich das Karussell noch lange munter weiterdrehen!
Michael Khan
15. Oktober 2022 — 19:22
Theoretisch hätte ich die Qual der Wahl, aber praktisch ist es dann doch ganz einfach: Wenn ich Platz im Gepäck habe, nehme ich die Leicaflex, bei weniger Platz die Nikon FM2, bei noch weniger Platz eine Schraubleica mit versenkbarem Objektiv und bei erwartetem Schietwetter die Nikonos V.
Nantwein
16. Oktober 2022 — 18:25
Auch eine schöne Auswahl an Kameras! Die Leicaflex ist tatsächlich ein ziemlicher Brocken, und die Objektive dafür sind auch nicht grade Leichtgewichte. Die Schraubleica mit dem versenkbaren Summitar ist ein genial schlanker Apparat, und die FM2 liegt irgendwo in der Mitte – ein Arbeitspferd für alle Tage 🙂