Ich habe viel von ihm gelesen, aber bisher noch keinen mit eigenen Augen gesehn: Den gefürchteten Objektivpilz, Fungus oder wie immer man ihn nennen will. Ich habe Objektive mit tiefen Kratzern in der Frontlinse gekauft, Objektive, in denen sich gekittete Elemente teilweise voneinander gelöst hatten, und ein 28mm Rokkor für meine Leica CL, das unter der „Weiße-Flecken-Krankheit“ leidet. Alle diese Objektive machen (vielleicht mit Ausnahme des Rokkor, das bei Gegenlicht zu stärkeren Überstrahlungen neigt) wunderbare Bilder, die man von denen kerngesunder Objektive gleicher Bauart nicht unterscheiden kann.
Vor ein paar Wochen kam es dann doch dazu, zu meiner Begegnung mit dem berüchtigten Objektivpilz. Als ich im Farblabor meines Vertrauens einen entwickelten Film abholte und mir die analogen Kameras ansah, die dort immer wieder zum Verkauf stehen, fiel mir eine Zeiss Ikon-Voigtländer Vitessa 500 SE auf, ein Produkt aus der unrühmlichen Endzeit der beiden großen deutschen Kamerahersteller in den späten 1960er und frühen 1970er-Jahren.
Die Vitessa SE (das E steht für electronic) ist eine Kompaktkamera mit Prontor 500 S electronic – Zentralverschluss, die über eine Automatik mit Blendenvorwahl verfügt und keinen Entfernungsmesser hat. Dafür bekommt man die händisch eingestellte Entfernung anhand von drei Symbolen – ein Kopf, eine Personengruppe und Berge – im hellen, großen Sucher mitgeteilt, ebenso wie die vorgewählte Blende und die Belichtungszeit zwischen 1/30 und 1/500 Sekunde, die die Kamera zu dieser Blende gewählt hat. An und für sich eine 08/15 Kamera ihrer Zeit, wäre da nicht das Tessar-Objektiv von Carl Zeiss mit der etwas ungewöhnlichen Brennweite von 42 mm. Und, im Fall meiner für 5 Euro erstandenen Vitessa, mit ziemlich fortgeschrittenem Pilz zwischen den Linsen.
Meine Neugier war geweckt. Erstens habe ich ein Faible für angestaubte Kompaktkameras aus der Übergangszeit von Metall- zu Vollplastikgehäusen (die Vitessa ist erstaunlich schwer und noch weitgehend aus Metall gefertigt), und zweitens hat es mich gereizt, einen Film mit dem verpilzten Tessar zu schießen – schließlich hatte ich keine Vorstellung davon, was dabei herauskommen würde.
Alles in allem muss ich sagen: Soo schlimm ist selbst ein weit fortgeschrittener Objektivpilz wie der in meinem Tessar nun auch wieder nicht. Bei Aufnahmen, die ich am Abend kurz nach Sonnenuntergang bei einem Event namens „Oper für Alle“ vor dem Münchner Nationaltheater gemacht habe, merkt man fast gar nichts davon, außer, man schreibt die für ein Tessar etwas unterdurchschnittliche Schärfenleistung des Objektivs dem Pilz zu.
An hellen Sommertagen im Sonnenlicht, wo es starke Kontraste zwischen hellen und dunklen Bildpartien gibt, sieht die Sache schon ein wenig anders ist. Hier überstrahlen helle Teile des Bildes ziemlich stark und sind von einem milchigen Flor umgeben. Schlimm finde ich diesen Effekt nicht, der mich an bestimmte Überstrahlungsfilter in diversen Bildbearbeitungsprogrammen erinnert – beim verpilzten Tessar meiner Vitessa 500SE gibt es ihn eingebaut zum Nulltarif.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur Kamera selbst. Durch ihre schwere Bauweise liegt sie recht gut in der Hand und ist dank ihres hellen Suchers mit klaren Leuchtrahmen und gut ablesbaren Informationen eine angenehme Begleiterin für die alltägliche Schnappschuss-Fotografie, auch wenn man sich an den unten liegenden, mit dem linken Daumen zu bedienenden Schnellschalthebel erst einmal gewöhnen muss. Ihre Schwachstellen sind der fehlende Entfernungsmesser und die Tatsache, dass man bis auf die Möglichkeit, mittels eines Schiebers um eine oder zwei Blenden überzubelichten, der Belichtungsautomatik auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Was das Fotografieren mit meinem Exemplar zusätzlich zum Glücksspiel macht ist die Tatsache, dass der Verschluss immer wieder einmal hängen bleibt und dann so lange den Film belichtet, bis man ihn um ein Bild weitertransportiert.
Ach ja, und dann ist da noch das Problem mit den Batterien. Die Kamera hat gleich zwei Batteriefächer an ihrer Vorderseite, in die jeweils eine 1,35 Volt Quecksilberzelle eingelegt werden musste. Da es diese Batterien heute nicht mehr gibt, habe ich mir mit einer CR2025 3Volt Lithium-Knopfzelle in einem der beiden Batteriefächer beholfen und die Kontakte des anderen mit drei Schweizer 20-Rappen-Münzen kurz geschlossen. Dieses chinesisch-schweizerische Energie-Joint Venture klappt hervorragend, wenn man auch auf die Lithium-Batterie zwei Münzen legt, damit diese dann von der Batterieabdeckung gegen ihren unteren Kontakt gedrückt wird.
Daniel
31. Dezember 2019 — 11:34
Doch wie schaltest du bei Nichtgebrauch das ganze ab???
Nantwein
13. Januar 2020 — 11:30
Gute Frage! Die Kamera sieht keine Möglichkeit dafür vor, einen Ein-und Ausschalter gibt es nicht. Die einzige Möglichkeit Strom zu sparen ist die, die Batterien aus der Kamera zu nehmen …
Robert Briese
14. Februar 2020 — 8:54
Falls du den Pilz loswerden willst oder zumindest den Zustand etwas verbessern (je nach Stärke des Befalls), ich habe da gute Erfahrungen gemacht mit einer fiesen Mischung aus Ammoniak (Salmiakgeist) und Wasserstoffperoxid zu etwa gleichen Teilen. Dabei muss man unbedingt auf gute Belüftung achten.
Man baut die Linse aus und träufelt die Flüssigkeit auf die betroffene Stelle. Das fängt dann meist richtig an zu brodeln und nach spätestens 2-3 Minuten lässt es in der Regel nach, ein Zeichen dafür dass der Pilz weggeätzt ist. Unter fließendem Wasser abspülen und dann sanft abtrocknen, anschließend mit Linsenreiniger nochmal drüber. Manchmal sieht man dann noch dass die Vergütung etwas beschädigt ist, das war aber der Pilz, nicht unbedingt die Chemie. Auf diese Weise habe ich schon mehrere Objektive entpilzt, zuletzt das Sucher- und das Aufnahmeobjektiv meiner Rolleicord III (zum Glück war der Sucher stärker betroffen), die Kamera war in beklagenswertem Zustand als ich sie bekam, jetzt ist alles wieder wie es sein soll..
Nantwein
14. Februar 2020 — 11:58
Danke für den Tipp – klingt ein bisschen nach dem Labor eines verrückten Chemieprofessors ;-).
Bei dem Tessar werde ich es nicht machen, denn ich habe mir für 5 Euro eine weitere Vitessa gekauft und deren (makelloses) Objektiv komplett verpflanzt. Leider stimmt jetzt die Schärfeebene nicht mehr, wahrscheinlich habe ich da was falsch gemacht. Übrigens ärgere ich mich im Nachhinein, dass ich das verpilzte Objektiv nicht einfach dringelassen habe – der Effekt ist ja ganz interessant.
Bei einer Rolleicord sieht die Sache natürlich anders aus, da lohnt es sich. Wie sieht es da beim Xenar mit den verkitteten Hinterlinsen aus? Ist da im Kitt kein Pilz drin?
Robert Briese
14. Februar 2020 — 17:05
Vielleicht hatte ich Glück, der Fungus im Xenar war nicht zu stark. Oben im Heidosmat war mehr. Bis jetzt habe ich Fungus aber auch nur auf Oberflächen gesehen, keine Ahnung ob der auch in die Verkittung eindringen kann, vermutlich ja nur wenn vorher schon eine Separation im Gange war..
Zu der Schärfeebene, öfter mal haben die Linsenelemente bzw. genauer die Stelle wo man sie einschraubt mehr als einen möglichen Gewindeanfang so dass man sie versehentlich in anderen Distanzen zueinander fixieren kann als eigentlich vorgesehen, vielleicht liegt es daran? Wie wird bei der Kamera scharf gestellt? Ich kenne das zum Beispiel von Balgenkameras an denen ich gebastelt habe, da muss man am Ende immer das Frontelement wieder auf unenendlich einstellen.
Das mache ich indem ich eine Scheibe auf die Filmebene klebe, auf die male ich vorher mit schwarzem Marker ein Kreuz oder sonstiges Symbol, stelle die Kamera auf einem Stativ auf B so das der Verschluss dauerhaft offen ist. Eine Leuchte sollte von hinten gegen die Scheibe leuchten und dann schaue ich mit einer anderen Kamera mit Teleobjektiv das auf unendlich steht von vorn durch das Objektiv und drehe solange am Frontelement der einzustellenden Kamera bis meine Markierung auf der Scheibe optimal scharf erscheint. Dann kann man den Einstellring mit der Entfernungsskala auf unendlich eingestellt an der Frontlinse festschrauben. Dann passt es meistens.
Christoph Schimmler
3. Juli 2020 — 6:10
Hallo,
abschalten kannst du die Kamera in dem du auf Blitzlicht umschaltest…
Vg
Christoph
Nicolas
9. Januar 2021 — 18:50
Frage,
Ich habe es jetzt mit 2 20ct Münzen probiert aber wie merke ich das die Kamera überhaupt funktioniert?
Blitz löst nicht aus Aber weiß nicht wie ich das erfahre
Lg
Nantwein
18. Januar 2021 — 22:43
Hallo Nicolas,
leider kann ich dir deine Frage nicht beantworten, da ich die Kamera nicht mehr besitze. Aber ich denke, du kannst es daran sehen, dass die Nadel des Belichtungsmessers ausschlägt, wenn sich das Licht ändert.
Hozi
3. Februar 2021 — 20:26
Zum einen kannst du den grünen Knopf an der Seite drücken. Das ist die Batterie Kontrolle. Oben muss die Lampe leuchten.
Wenn die Kamera gespannt ist, geht kurz vor dem Auslösen die gelbe Lampe oben an.
Genau in dem Moment geht auch die Anzeige des Beli im Sucher um eine deutliche zeit runter. Ggf. sind aber auch meine Batterien etwas leer und damit schwach?
Hat jeman eine Idee wie man den Beli kalibrieren kann. Die alten Batterien hatten ja 1,35 V, zwei 2,7 V. Die 3 Volt der adaptierten Batterien werden sicher einen Effekt auf den Beli haben.