Heute musste ich wieder einmal eine Rechnung an den Bayerischen Rundfunk schreiben, eine Routinearbeit im Programm „Pages“ von Apple, das ich, mit Software vom angebissenen Apfel digital  sozialisiert, seit seiner ersten Version verwende.

Die Rechnung war in fünf Minuten geschrieben, jetzt noch schnell in der Menüzeile auf den Punkt „Teilen“ klicken, „Exportieren als PDF“ auswählen, im Mail-Programm, das sich von selber öffnet, die Adresse der Empfängerin eintippen und dem Geräusch eines abfliegenden Flugzeugs lauschen, mit dem die Rechnung an ihren Adressaten expediert wird.

Von wegen! Heute ist alles anders. Der Menüpunkt „Teilen“ ist verschwunden. Einfach nicht mehr da.

Um Gottes Willen, denkt man. Bitte nicht! Man hat vor einer Woche eines dieser neuen Betriebssysteme auf den Rechner gespielt, mit denen Apple meint, einen alljährlich beglücken zu müssen, und dieses hat einen, kaum hatte es seine Arbeit aufgenommen, dazu aufgefordert, die supertolle, mit innovativen Funktionen vollgestopfte und fehlerbereinigte neue Version von Pages zu laden, und, dumm wie man ist, hat man der Aufforderung Folge geleistet. Wer arbeitet schon gern mit einer veralteten Textverarbeitung? Schließlich beinhaltet das Update so bahnbrechende Neuerungen wie „stilvolle neue Vorlagen für Veranstaltungseinladungen und Schülerzertifikate“. Ich weiß zwar genau, dass ich in meinem ganzen Leben kein stilvolles Schülerzertifikat ausstellen werde, aber wenn ich wollte, könnte ich es jetzt. Ein schönes Gefühl.

Nicht so schön ist es, dass die Software-Entwickelnden (was sind das eigentlich für Menschen? Sind es überhaupt noch Menschen oder wütet da schon die künstliche Intelligenz?) dafür andere Möglichkeiten, die einem das Programm bisher geboten hat, aus unerfindlichen Gründen aus dessen Organismus herausoperiert haben.

Aber gut, man ist ja kein heuriger Hase. Man kennt diese albernen Kapriolen Programme schreibender Geschöpfe Gottes, die sich gern mal einen kleinen Scherz mit unsereinem erlauben. Verstecken wir doch einfach mal eine wichtige Funktion, mal schauen, ob sie sie finden, die Dumpfbacken da draußen, die immer noch ihre Zeit mit Rechnungsschreiben vertrödeln anstatt sich mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben zu befassen, zum Beispiel verschwundene Funktionen in frisch aktualisierten Programmen suchen.

Also begibt man sich wieder einmal auf die Suche nach dem Heiligen Gral des 21. Jahrhunderts. Und – kann das sein? – in diesem Fall machen es einem Apples App-Designer auch wirklich einfach. Der Menüpunkt „Teilen“ mag verschwunden sein, aber dafür prangt in der Symbolleiste des Programms unübersehbar jenes kleine Quadrat mit dem nach oben zeigenden Pfeil, das in der Hieroglyphensprache von Digitalistan für eben jenes „Teilen“ steht.

Wunderbar, denkt man, dann klickt man halt auf dieses. Aber anstatt das altbekannte Dialogfenster zu öffnen, das einen zwischen dem Verschicken der Rechnung als Word-Dokument oder PDF wählen lässt, schränkt dieser neue Weg die Wahlmöglichkeiten auf eine einzige ein: Man kann die Rechnung als Pages-Dokument verschicken, ein Format, das außerhalb des Apple-Universums kein Computer lesen kann. Das war’s. Sonst gibt es nix. Und der Gral? Wieder in weiter Ferne gerückt.

Spätestens jetzt hätte ich kapitulieren müssen und so verfahren wie ganz früher, als die Programme solche umfangreichen Exportfunktionen gar nicht besaßen. Man sichert die Rechnung als PDF-Dokument auf dem Schreibtisch, zieht sie von dort in eine Mail, schickt die ab und wirft das PDF anschließend in den Papierkorb. Aber ich tue es nicht. Ich sage mir: das kann doch nicht sein und mache mich, wieder einmal, auf die Suche nach den verlorenen Möglichkeiten, auf die mich die digitale Welt bei jedem „Fortschritt“ des Betriebssystems schickt.

Um es kurz zu machen: Alle meine Versuche, alles Klicken auf alle möglichen Menüpunkte bei bei gedrückter Alt-, Command- und Ctrl-Taste, führen mich ins digitale Nirgendwo.

Also nachschlagen in der Hilfe zum Programm. Abteilung „Senden eines Dokuments in Pages auf dem Mac“. Erleichterung! Da steht es schwarz auf weiß: Ich muss nur im Menü „Ablage“ auf den Punkt „Kopie senden“ klicken, dann in einem Dialog „PDF“ auswählen und schon ist mein Problem gelöst. Wie konnte ich das nur übersehen?

Die Antwort ist einfach: Weil es im Menü „Ablage“ keinen Punkt mit Namen „Kopie senden“ gibt! 

Das darf doch nicht wahr sein! Da klauen einem Apples Programmier und Programmiererinnen und die Menschen, die für Apple programmieren und sich noch nicht ganz sicher sind, welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen wollen, erst eine grundlegende Funktion eines Programms und verweisen einen dann als Ersatz dafür in ihrer eigenen „Hilfe“ auf einen Menüpunkt, den sie (aus Versehen oder Bosheit?) überhaupt nicht in die App hineinprogrammiert haben!

Gut, okay, ein Flug nach Cupertino, um dort mit einem Rohrstock auf die Finger von Programmierenden einzudreschen ist ebenso teuer wie umweltzerstörend. Dann bleibt einem nur die Möglichkeit, seinen Ärger hinunter zu schlucken und in den gärenden Sümpfen des Internets nach der Lösung für ein Problem zu stochern, das es eigentlich nicht geben dürfte.

Die Ergebnislisten der Suchmaschine liefern mir den üblichen Wust an irrelevanten, veralteten oder komplett an meiner Frage vorbeigehenden Pseudoantworten, und nachdem ich mich durch diverse Supportseiten von Apple geklickt habe, die sich zum Teil auf Programmversionen von vor zehn Jahren beziehen, stoße ich schließlich unter all der digitalen Spreu doch noch auf das eine Weizenkorn in Form eines Forumsbeitrags, der endlich eine (wenn auch ziemlich umständliche) Lösung meines Problems beinhaltet:

Man muss das Menü „Drucken“ aufrufen, dort ganz unten auf den kleinen Pfeil neben dem Wort „PDF“ klicken, dann eröffnet sich einem ein Submenü, in dem man zwischen 15 Möglichkeiten wählen kann, von „In Vorschau öffnen“ bis zu „PDF in Aperture sichern“ . Und unter all diesen zum Teil recht bizarr anmutenden Punkten (das Programm Aperture wurde von Apple 2015 für obsolet erklärt und läuft schon lange nicht mehr auf den modernen Betriebssystemen) versteckt sich einer mit dem Namen „Mit Mail versenden“. Und erst als ich auf den klicke, erhalte ich das, was ich brauche: Eine leere Email, an die meine Rechnung als PDF angehängt ist.

Na super, denke ich. Eine unwiederbringliche Stunde meines kurzen Lebens habe ich schon wieder damit vertan, um schließlich etwas zu erreichen, was mich noch vor wenigen Tagen nicht mal eine Minute Zeit gekostet hat.

Hat da mal jemand behauptet, mit der Digitalisierung könne man Zeit sparen?