Vor ein paar Tagen habe ich Post aus England bekommen. Einen Briefumschlag, in dem sich zwei Balgen befanden, vor einer Woche bei Sandeha Lynch bestellt, einem Fotografen, Bildhauer und Liebhaber alter Balgenkameras.
Sandeha stellt Balgen für alle möglichen Kameras her, von der Linhof Technika bis zu diversen Großformatkameras. Sein Bestseller aber dürften Balgen für die Agfa Isolette sein, einer von Agfa in München gefertigten Faltkameras für das 6×6 Format, die aufgrund ihres kompakten, leichten Gehäuses und ihrer guten Objektive zu den beliebtesten Vertreterinnen ihrer Klasse gehört. Leider weisen fast alle Isoletten zwei typische Fehler auf.
Zum einen hat man im Agfa Kamerawerk in den 1950er-Jahren für die beweglichen Teile des Entfernungsmessers und den Schneckengang mit einem Fett geschmiert, das sich im Lauf der Jahrzehnte in eine zähe Masse verwandelt, die Freunde der Isolette als die „grüne Pest“ bezeichnen. Zum Glück sind die Kameras so einfach aufgebaut, dass man mit etwas bastlerischem Geschick anhand zahlreicher Anleitungen im Internet das alte Fett entfernen und durch frisches ersetzen kann.
Nicht ganz so leicht zu beheben ist der zweite Defekt, der an so gut wie jeder Isolette über kurz oder lang auftritt: Lichtlecks im Balgen. Offenbar hat Agfa ausgerechnet an diesem für Klappkameras essentiellen Bauteil gespart und seine Balgen statt aus Leder aus einem kostengünstigeren Kunstoffmaterial fertigen lassen. Dieses wird im Lauf der Zeit an den Ecken brüchig und lässt unerwünschtes Licht ins Innere der Kamera fallen gelangen. An diesem Foto, das ich im Botanischen Garten in München mit einer Isolette III geschosse habe, kann man das an dem hellen Streifen am oberen Rand des Bildes recht gut sehen:
Eine Zeitlang habe ich versucht, dem Problem mit schwarzem Isolierband beizukommen, das ich auf die Löcher im Balgen klebte. (Gefunden habe ich sie, indem ich die Rückwand der Kamera aufklappte und dann mit einer starken LED-Taschenlampe von außen auf den Balgen leuchtete, während ich ins Innere der Kamera blickte). Aber das Isolierband löste sich immer wieder ab, und der Balgen ließ sich nicht mehr gut zusammenfalten.
Irgendwann einmal wurde mir das zu viel, und ich habe mich im Internet nach Lösungen umgeschaut. In einem Forum für Klappkameras wurde ich fündig, und das, was ich auf Sandeha Lynchs Website sah, hat mich sofort überzeugt. Ich bestellte also zwei Balgen für meine beiden Isoletten, einen in „copper“ und einen in „bottle green“, und da Sandeha sie wohl schon auf Vorrat gefertigt hatte, dauerte es gerade mal eine Woche, bis ich die beiden vor mir auf dem Schreibtisch liegen hatte.
Sandeha schickt eine englischsprachige Anleitung mit, und nach zwei Stunden hatte ich den Balgen meiner ersten Isolette, der mit dem Solinar 3.5/75-Objektiv, ohne größere Probleme durch den kupferfarbenen Ersatzbalgen ersetzt. Ich finde, die Kamera hat dadurch nicht nur technisch, sondern auch optisch gewonnen und kann es kaum erwarten, meinen ersten Testfilm damit zu schießen. Und dann meinen zweiten neuen Balgen in die Isolette mit dem Apotar 4.5/85mm einzubauen, natürlich …
K.H. Münter
21. Dezember 2019 — 14:45
Hallo,
von Custom Bellows in England bekommt man ebenfalls neue Balgen sowohl für die Isolette III als auch für die Super Isolette und für die diversen Super Ikontas.
Aus Zeitgründen habe ich bei zwei Isolette III die bei Sandeha gekauften Balgen durch ihn einbauen lassen plus einem roten Balgen bei einer AGFA Record III.
Mit seiner Arbeit war ich sehr zufrieden.
Das teilweise hart gewordene grüne Fett entfernte ich mittels geeigneter Chemie vorsichtig selber, das hat aber dann doch länger gedauert.
Abgesehen davon sehen diese Kameras mit farbigem Balgen richtig gut aus.
Nantwein
21. April 2020 — 11:33
Ja, das kann ich nur bestätigen, die Balgen von Sandeha sind wunderschön und werten die Kameras echt auf. Ich finde es einfach toll, dass man so alte Kameras auch nach Jahrzehnten auf so einfache Weise wiederbeleben kann. Und danke für den Tipp mit Custom Bellows, kannte ich bisher nicht! Sieht aus, als hätte das Vereinigte Königreich beim Balgenfalten die Nase vorn 🙂
Miklós Hazay
20. April 2020 — 16:37
Danke für den Wink mit Sandeha – habe einen Balg für eine historische Kamera in Auftrag gegeben. Mal sehen.
Für Agfa-Fans: hat jemand Interesse an eine Agfa-Optima-II ? Geschenkt!
Grüße M.
Nantwein
21. April 2020 — 11:28
Freut mich, wenn ich helfen konnte. Die Balgen von Sandeha sind sehr schön, und seiner Einbauanleitung war leicht zu folgen – meine beiden Isoletten, funktionieren seitdem wieder einwandfrei, und die farbigen Balgen machen echt was her 🙂
Karl-Heinz
10. März 2021 — 19:29
Hallo und Danke für diese hilfreichen Informationen.
Habe den Beitrag erst jetzt entdeckt!
Ich selbst habe zwei Agfa Isolette (I und III) und wie könnte es anders sein auch diese feinen nadelstichgroßen Löcher im Balgen.
Bin inzwischen im Kontakt mit Sandeha (zwischenzeitlich ist der Brexit ja vollzogen und alles ist nicht mehr so einfach).
Habe eine Frage zum verwendeten Kleber. Er sollte ja möglichst schnell anziehen. In der Beschreibung wird ein normaler Haushaltskontaktkleber empfohlen…was auch immer das sein mag. Welchen hast du selbst verwendet?
Beste Grüße von der Elbe bei Magdeburg
Nantwein
10. März 2021 — 22:45
Hallo, freut mich, dass dir mein Beitrag gefallen hat.
Ich habe damals einen Kleber namens Kövulfix verwendet, was sehr gut funktioniert hat. Ist so was ähnliches wie Pattex, der eigentlich auch funktionieren sollte.
Viel Spaß mit deinen Isoletten und beste Grüße zurück an die schöne Elbe!