Ich mag das 6×6-Format. Mochte es schon immer. Bevor ich zur digitalen Fotografie überging, verwendete ich diverse 6×6-Kameras für meine professionelle Fotografie, und heute nehme ich gerne eine meiner Rolleis zur Hand, um das magische Dutzend Fotos zu schießen, das mir ein 120er-Rollfilm bietet. Aber die Rolleicord und Rolleiflexen sind nicht meine einzigen 6×6-Kameras. Da gibt es noch die Faltkameras, eine Kategorie, die ich sehr schätze, sei es im Mittel- oder Kleinbildformat. 6×6-Faltkameras, die Mittelformatkameras für diejenigen, die es gern klein und leicht mögen, blicken auf eine lange Karriere zurück, die von den 1920er-Jahren bis in die jüngste Zeit reicht (man denke nur an die Voigtländer Bessa III, die vor 10 Jahren noch gebaut wurde).
Allerdings darf man die Adjektive „klein“ und „leicht“ nicht allzu wörtlich nehmen. Das Gute an diesen Kameras ist, dass sie sich zusammenklappen lassen und damit eine Menge an Volumen verlieren, das sie wegen ihrer langbrennweitigen Objektive einfach brauchen – 80 mm Brennweite resultieren nun mal in 8 Zentimeter Abstand zwischen Objektiv und Filmebene. Das weniger gute ist, dass sie auch im zusammengeklappten Zustand ziemlich dicke und schwere Viecher sein können. Meine Super Ikonta 530/16 zum Beispiel, die 6×6 Version der legendären Zeiss Ikon Klappkameras ist das, was man landläufig als massiv bezeichnet. In einem früheren Blogpost habe ich sie einmal mit einem Mercedes verglichen, einem Mercedes aus der Zeit, in der diese Marke noch ein Synonym für Solidität und Langlebigkeit war.
Wenn ich meine zweite 6×6 Klappkamera – eine Agfa Isolette III – neben dieses mechanische Wunderwerk aus Leder, Glas und Chrom stelle, kommt sie mir vor wie ein Sportwagen, der neben einer Familienkutsche parkt. Die Isolette, Baujahr etwa 1955, ist die schlankste und leichteste 6×6-Kamera mit eingebautem Entfernungsmesser, die ich kenne. Wenn ich sie in die Hand nehme, habe ich manchmal das Gefühl, mit einer Kleinbildkamera zu hantieren. Alles in allem ist sie kaum größer – und definitiv leichter – als die Kodak Retina IIIC, meine bevorzugte Klappkamera im 35mm-Format. Die ideale Mittelformatkamera zum Mitnehmen also.
Aber diese Kompaktheit hat auch ihren Preis. Vom fehlenden Belichtungsmesser einmal abgesehen – schließlich hat die Super Ikonta auch keinen – mussten die Ingenieure bei der Isolette einige Kompromisse machen. Los geht das mit dem nicht gekoppelten Entfernungsmesser, der Agfa einerseits Geld, andererseits aber auch Gewicht gespart hat. Dafür ist das Messen der Entfernung an der Isolette leider ein wenig umständlich: Während man in den einfachen, leuchtrahmenlosen Sucher blickt, muss man durch Drehen an einem kleinen, gerändelten Rad an der Oberseite der Kamera einen hellen, relativ großen Entfernungsmesserfleck mit dem Rest des Bildes zur Deckung bringen, so wie bei allen anderen Mischbildentfernungsmessern auch. Dann allerdings muss man die Zahl, die man aiuf dem kleinen Einstellrad sieht, per Hand auf die Entfernungsskala des Objektivs übertragen.
Dieses – ein 3.5/75mm Solinar in einem Synchro-Compur-Verschluss – ist über jeden Zweifel erhaben. Im Gegensatz zu Agnar und Apotar, den beiden Dreilinsern, die in billigeren Varianten der Isolette angeboten werden, hat es vier Linsen wie das legendäre Zeiss Tessar, das in der Super Ikonta verbaut ist, dort allerdings mit einer Lichtstärke von 2.8 und 80 mm Brennweite.
Um im Bild vom Sportwagen zu bleiben: Die Maschine hat einen ausgesprochen leistungsfähigen Motor, während ihre Bedienelemente ziemlich spartanisch gehalten sind.
Wer an der Isolette nach Komfort sucht, sucht vergebens. Während die Super Ikonta – immerhin 20 Jahre älter – ihre Benutzer neben einem gekuppelten und ziemlich genialen Drehkeilentfernungsmesser sowie einem automatischen Filmtransport erfreut, ist man bei der Isolette in diesen Dingen völlig auf sich gestellt. Bei der Super Ikonta genügt es, den frisch eingelegten Rollfilm so lange vorwärts zu spulen bis die Zahl für die erste Aufnahme in dem kleinen mit rotem Glas versehenen Guckfenster in der Rückwand der Kamera erscheint. Danach dreht man das Zählwerk – eine verchromte Scheibe neben dem Blitzschuh – auf die Nummer eins und kann sich von nun an darauf verlassen, dass der Drehknopf für den Fimtransport automatisch bei der nächsten Aufnahme stoppt. Allerdings, das darf nicht verschwiegen werden, hat dieser Komfort auch einen Nachteil: Weil aus Sicherheitsgründen die Abstände zwischen den einzelnen Bildern größer als normal sind, bringt die Super Ikonta nur 11 Aufnahmen anstatt der üblichen 12 auf einen 120er Rollfilm.
Bei der Isolette hingegen ist nach jeder Aufnahme der Blick ins rote Fenster obligatorisch. Dreht man den Film aus versehen zu weit und stoppt nicht sofort wenn die nächste Zahl erscheint, erhält man ungleiche Bildabstände. Um bei unserem Autobeispiel zu bleiben: Hier haben wir den Unterschied zwischen einem nicht synchronisierten Sportwagengetriebe und der Automatik einer Luxuskarosse.
In einem Aspekt der Bequemlichkeit freilich ist die Isolette der Super Ikonta sogar überlegen. Das allerdings ist das nicht die Schuld der Zeiss Ikon, denn 1936, als meine Super Ikonta gebaut wurde, war die Lichtwerteinstellung, die an der Isolette verbaut ist, noch gar nicht erfunden. Beim Lichtwert scheiden sich seit Jahrzehnten die Geister der Fotografen. Mache (mich eingeschlossen) finden ihn genial, vielen anderen ist die Koppelung von Zeit und Blende bei diesem Verfahren ein Dorn im Auge. Ich mag es, dass ich an der Isolette lediglich mittels eines Metallpfeils am unteren Teil des Verschlusses den mit meinem Digisix 2 gemessenen Lichtwert einstellen muss und dann alle der Kamera verfügbaren Zeit- und Blendenkombinationen mittels Drehen an einem einzigen Ring einstellen kann.
Man sagt ja, dass Sportwägen bisweilen ihre Macken haben, und die Isolette ist da keine Ausnahme. Eine ihrer Schwachstellen ist das Fett, das Agfa damals zum Schmieren von Gewinden und anderen beweglichen Teilen verwendet hat. Heute, nach sechs Jahrzehnten, ist es zumeist nur noch eine zähe, grüne Masse, die bei manchen Kameras so hart wie Wachs geworden ist. So auch bei meiner Isolette, deren Entfernungsmesserrädchen sich ebensowenig bewegen ließ wie die Vorderlinse der Kamera. Nachdem ich die Kamera auseinander genommen hatte, konnte ich sie mit Waschbenzin reinigen und mit technischer Vaseline neu einfetten.
Die zweite typische Schwachstelle, die heute so gut wie jede Isolette aufweist ist leider nicht so leicht zu beseitigen. Wieder liegt sie an einer Entscheidung von damals, und diese Entscheidung war leider viel weitreichender als die Wahl des Schmierfetts: Anstatt für den Balgen wie üblich dünnes, mit Stoff verstärktes Leder zu verwenden, griff man im Münchner Agfawerk zu einem Kunststoff, der im Lauf der Jahre an den Ecken unweigerlich kleine Löcher bekommen hat, die sich manchmal sogar zu Rissen erweitern. Der Balgen meiner Isolette weist diese Löcher ebenfalls auf, wie man auf einigen der von mir gemachten Fotos sehen kann. Ich habe die Schadstellen zunächst einem mit schwarzem Isolierband überklebt, aber auf lange Sicht werde ich wohl nicht umhin kommen, mir aus England einen neuen Balgen kommen zu lassen und ihn in die Isolette einzubauen, falls ich die Kamera behalten will. Angesichts der kompakten Ausmaße der Isolette werde ich das vermutlich, und die Tatsache, dass es den Balgen auch in rot oder british racing green gibt, würde das Sportwagenimage der Kamera nur unterstreichen.
Heike Terme
28. August 2021 — 11:48
Hallo…ich habe eine Frage, ich bin in Besitz einer AGFA ISILETTE III, SUPER Zustand nicht beschädigt ,mit Gebrauchsanweisungen und Lederjacke,mich würde interessieren was sie wert ist
Nantwein
28. August 2021 — 12:37
Hallo Heike,
das ist ist nicht so einfach zu sagen. Zuerst müsste man wissen, was für ein Objektiv die Kamera hat – ein Solinar oder ein Apotar. Das Solinar ist als Vierlinser hochwertiger als der Dreilinser Apotar und erzielt deshalb einen besseren Preis. Dann müsste man prüfen, ob alle Verschlusszeiten – auch die langen von 1/8 sec bis zur vollen Sekunde ablaufen, ohne dass der Verschluss ins Ruckeln kommt und ob der Selbstauslöser noch einwandfrei funktioniert. Wenn das nicht der Fall ist, muss der Verschluss gereinigt werden, was machbar ist, aber Geld kostet.
Außerdem hat die Isolette zwei Schwachpunkte, unter denen heute fast alle Exemplare leiden: 1. Der Kunststoffbalg, den Agfa damals verwendet hat, hat so gut wie immer nach alle den Jahren mindestens ein winziges Loch, das einem jedes Foto ruiniert. Da muss man einen neuen Balgen kaufen und einbauen (kriegt man in England). 2. Das Fett, mit dem Agfa die Kamera abgeschmiert hat, ist heute in den meisten Kameras so hart geworden, dass man es ersetzen muss. Für jemanden, der die Kamera auseinandernehmen kann, ist das kein großes Problem, aber gemacht muss es werden.
Aus all diesen Gründen erzielen Isoletten, die noch nicht gewartet wurden, auch in einem guten Zustand bei Ebay nur zwischen 30 und 80 Euro, manchmal auch mehr, aber das sind dann Ausnahmen oder der Käufer kennt sich mit den Kameras nicht aus. Hoffe, das hilft.