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Ein Fotografie-Blog

Nur nicht zu gierig werden – von den Tücken der falschen Entwicklungsdose

Es ist eine Binsenweisheit: Man soll nicht zu gierig sein. Auch nicht zu gierig auf eingesparte Zeit. Ganz besonders dann, wenn man, wie ich, die analoge Fotografie der digitalen vorzieht. Diese Entscheidung ist ja in sich schon ein Zeichen dafür, dass man keinen Wert auf Zeitersparnis legt, denn schließlich verweigert man damit die Möglichkeit, Sekundenbruchteile nach dem Druck auf den Auslöser das fertige Foto auf dem Display der Kamera zu sehen, und wartet statt dessen Tage und Wochen darauf, dass ein Film sich mit 36 Aufnahmen gefüllt hat und weitere Wochen später dann entwickelt, eingescannt und in einer zeitraubenden Prozedur am Computer Bild für Bild vom Negativ in ein Positiv verwandelt wird. Zeit einsparen sieht anders aus.

Das Warten auf die fertigen Bilder ist für mich seit meiner Rückkehr zum Analogen ein integraler Bestandteil meiner Fotografie, und mit meinem Projekt „Latergram“, bei dem ich belichtete Filme bewusst monate- und manchmal sogar jahrelang in der Schublade liegen lasse, habe ich diese Wiederentdeckung der fotografischen Langsamkeit lustvoll auf die Spitze getrieben.

Was also, so frage ich mich selber, bringt nun einen Menschen wie mich dazu, ausgerechnet beim Entwickeln der Farbfilme von meiner letzten Sommerreise auf Teufel komm raus eine Stunde meiner Zeit sparen zu wollen und deshalb einen ebenso kapitalen wie anfängerhaften Entwicklungsfehler zu begehen?

Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich, was Farbentwicklung im C-41-Prozess anbelangt, tatsächlich noch ein Anfänger bin.

Seit letztes Jahr mein geliebtes „flash foto“ Entwicklungslabor in der Hohenzollernstraße angesichts der exorbitanten Gewerbemieten in München und eines coronabedingten Umsatzrückgangs für immer die Segel streichen musste, mische ich mir aus im Internet bestellten Color-Kits meine eigenen Chemikalien an und staune jedes Mal, wenn meine Do-it-yourself-entwicklung mir einen einigermaßen gleichmäßig entwickelten Farbfilm beschert.

Entgegen anfänglicher Befürchtungen hat dieses händische Entwickeln bei mir immer gut funktioniert, auch wenn ich dafür nicht meine großen, professionellen Jobo-Tanks verwenden kann, in denen ich seit Jahrzehnten meine Schwarzweißfilme entwickle – vom Kleinbild- bis zum 4×5 inch Planfilm. Bei der Farbentwicklung müssen diese Arbeitspferde des Fotolabors leider passen, denn hier muss der Film ständig in Bewegung gehalten und dazu noch auf gleichmäßiger Temperatur gehalten werden, und um das mit meinen Jobodosen zu gewährleisten, müsste ich mir eine Maschine von der Größe einer kleinen Drehbank besorgen, die für mich schon aus Platzgründen nicht in Frage kommt.

Aber zum Glück habe ich ja noch eine kleine Amateurdose mit geringerem Spulendurchmesser, die gegenüber den Jobo-Giganten einen entscheidenden Vorteil hat: Die Spule mit dem Film lässt sich mit Hilfe eines kleinen, von oben auf ihre Achse gesteckten Kunststoffstabs in den Entwicklungsbädern drehen. So bleibt der Tank im Wasserbad, und der Film kann trotzdem beständig bewegt werden – 20 Sekunden in die eine Richtung, 20 Sekunden in die andere Richtung und dann das ganze wieder von vorn, dreieinhalb Minuten im Farbentwickler, sechs Minuten im Bleichfixierbad.

Mit dieser Art des Entwickelns habe ich bisher immer gute Ergebnisse erzielt, bis auf ein einziges Mal, als der Entwickler bereits zu alt war und ich trotzdem noch unbedingt diesen einen Film entwickeln wollte, ohne neue Chemikalien ansetzen zu müssen.

Aber ich habe in dieser Dose halt bisher immer nur Kleinbildfilme entwickelt, weil mir die bislang erhältlichen 120er Farbfilme Ektra und Portra immer irgendwie unsympathisch und darüber hinaus auch zu teuer waren.

Als dann vor ein paar Monaten der ebenso wunderbare wie erschwingliche Kodacolor Gold 200, einer meiner Lieblingsfilme in der Kleinbildkonfektionierung, als Mittelformatfilm auf den Markt kam, habe ich auf meine diesjährige Sommerreise zwei Fünferpacks dieser neuen Emulsion mitgenommen und sie mit meiner kürzlich erworbenen Rolleicord Vb mit großem Vergnügen belichtet.

Als ich mit meinen zehn belichteten Rollfilmen (und ein paar nebenbei mit der Voigtländer Vitessa geschossenen Kleinbildrollen) im September wieder nach Hause kam, ließ ich die Filme erst einmal eine Weile in ihrer lichtdichten Box schlummern, damit die Bilder in der Emulsion und in meinen Erinnerungen ein wenig reifen konnten, so, wie ich das eigentlich immer mache.

Für meine Begriffe verhältnismäßig früh, nämlich schon Anfang Oktober, begann ich, die Filme einen nach dem anderen zu entwickeln. Film eins und Film zwei, an aufeinander folgenden Tagen einzeln auf die Spule gefädelt, kamen perfekt entwickelt aus meinem kleinen Tank, trockneten und wanderten in meinen Digitalisierungsprozess, der inzwischen aus einer über einer Leuchtplatte auf einem Reprostativ befestigten Sony A7RIII besteht.

Aber dann wurde ich gierig. Mein Gedankengang war der: Normalerweise reise ich mit zwei Kameras – einer Kleinbildkamera, bestückt mit Kodak ColorPlus 200 und einer Mittelformatkamera, in der sich Schwarzweißfilme unterschiedlicher Fabrikate befinden. Ein Kleinbildfilm hat 36 Aufnahmen, und die Rolleicord, die ich dieses Jahr dabei hatte, liefert mir dank eines nachrüstbaren Zählwerks und einer Suchermaske pro Rollfilm 16 Aufnahmen im Format 4,5×6 cm. Wenn aber zwei Rollfilme aus der Cord mit ihren 32 Aufnahmen etwa der Ausbeute eines Kleinbildfilms entsprechen, warum sollte ich nicht zwei Filme hintereinander in die Entwicklungsdose spulen und sie in einem Aufwasch miteinander entwickeln? Im Prinzip müsste das funktionieren, so wie bei meinen Jobo-Dosen bisher auch immer.

Funktioniert aber nicht. Weil die Spule meiner No-Name-Dose ein paar Zentimeter schmäler ist und auch keine Stoppmarkierung hat, an der der zweite Rollfilm anstößt und einem signalisiert, dass man nicht weiter aufspulen darf, habe ich den zweiten Film ein gutes Stück weit unter den ersten geschoben , ohne dass ich einen nennenswerten Widerstand dabei gespürt hätte.

Als ich nach dem Stabilisierungsbad die Dose öffnete und die Filme aufhängen wollte, sah ich die Bescherung auf den ersten Blick: Der zweite Film hatte auf der Länge von einem halben Dutzend Bildern, auf der er mit dem ersten Kontakt gehabt hatte, nur unzureichend auf die Fotochemikalien reagiert, was zu großen, dunklen, schlecht entwickelten und unzureichend fixierten Stellen führte.

Mir war sofort klar: Dieser Schaden war durch keine Entwicklungskunst der Welt wieder rückgängig zu machen, also streifte ich mit der Gummizange den Stabilisator von den Filmen, hängte sie auf und ließ sie trocknen, so als wäre nichts gewesen.

Andere Leute, so sagte ich mir, suppen ihre belichteten Filme stundenlang mit den abstrusesten Flüssigkeiten ein, um später beim Entwickeln unvorhergesehene Effekte zu erzielen. Bei mir, so habe ich mich getröstet, erledigt das der Zufall. Und der unselige Versuch, trotz meiner Philosophie der analogen Langsamkeit beim Filmentwickeln ein paar Minuten Zeit zu sparen.

 

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