Diese 6×6 Super Ikonta, Baujahr zwischen 1935 und 1938, ist meine zweite Zeiss-Ikon Klappkamera nach meiner 6×9 Super Ikonta 531/2. Ein gut erhaltenes Exemplar, das sich seit seiner Wartung bei Herrn Wiener butterweich bedienen lässt und Fotos macht, als wäre es neu.
Die Super Ikonta ist das, was englischsprachige Webseiten gerne als „built like a tank“ bezeichnen. Obwohl meine „Super-I“ mitten in der Nazizeit das Licht der Welt erblickt hat, finde ich, dass sie mit ihrem Lack, ihrem Chrom und dem satten Geräusch, mit dem das Objektiv an seinem angenehm duftenden Lederbalg aufklappt, eher einem alten Mercedes gleicht als einem hässlichen, kettenrasselndem Panzer. Grundsolide, schwer und ein bisschen schwäbisch-bieder (vielleicht kommt das auch daher, dass sie im seit 1926 zum ZeissIkon-Konzern gehörenden Contessa-Nettel Werk in Stuttgart hergestellt wurde). Und schwer und solide sind auch die ersten Worte, die einem einfallen, wenn man die Super Ikonta in der Hand hat. Im Gegensatz zu ihr fühlt sich meine Agfa Isolette III, deren Bilder durchaus mit denen der Super Ikonta mithalten können, fast wie eine Sardinenbüchse mit Lederbalg und Objektiv an. Die Super Ikonta hingegen wirkt, als wäre sie aus einem massiven Block Metall gefräst, so gewichtig liegt sie in der Hand. Oder sagen wir mal: In beiden Händen, denn als eine einhändig zu bedienende Kamera kann man sie nun wirklich nicht bezeichnen.
Dafür ist die Super Ikonta – mercedesmäßig eben – auf ihre bürgerlich-biedere Weise mit allem Komfort ausgestattet, den eine Mittelformatkamera zu ihrer Zeit haben konnte: Einem wartungsarmen Drehkeil-Entfernungsmesser (allerdings mit separatem Okulareinblick), einem automatisch bei jedem neuen Bild stoppenden Bildtransport (für den man allerdings in Kauf nehmen muss, dass auf einen 120er Rollfilm anstatt 12 Aufnahmen nur 11 passen), einem Compur Rapid Zentralverschluss mit Zeiten von 1 bis 1/400 Sekunde und einem für die damalige Zeit recht lichtstarken, wenn auch unvergüteten Tessar 2.8/80mm von Carl Zeiss in Jena.
So viel zu den technischen Grunddaten der Kamera, aber ein paar persönliche Besonderheiten weist sie auch auf. Gebaut in Stuttgart, wurde sie in Breslau verkauft, im Fotogeschäft von V.Bittner, wie eine kleine, an den Rückdeckel der Kamera geschraubte Metallplatte stolz verkündet. Wie Heinrich Strauß, wohnhaft in Gelsenkirchen, Bochumer Str. 180 zu dem guten Stück gekommen ist, kann ich nicht sagen, wohl aber, dass er sich mit einem Stempel auf der Innenseite der zur Kamera gehörenden Bereitschaftstasche aus dickem, dunkelbraunem Leder verewigt hat.
Ich gäbe ja viel dafür, die Bilder zu sehen, die Herr Strauß mit dieser Kamera aufgenommen hat, aber das wird wohl für immer ein Wunsch bleiben. Schade, aber den Namen eines Vorbesitzers meiner Zeitmaschine zu kennen ist ja auch schon was.
Dirk Schoenherr
18. April 2020 — 8:01
Interessante Geschichte! Allerdings höre ich hier zum ersten Mal, dass vor dem Krieg eine Rollfilmkamera im Werk Dresden hergestellt wurde. Normalerweise kamen aus den Werken in Dresden laut Literatur zb. zeissikonveb (punkt) de nur die Kleinbildkameras, während die Rollfilmkameras alle aus dem Werk Stuttgart kamen. Gibt es denn dafür Belege?
Beste Grüße
Nantwein
21. April 2020 — 12:56
Hallo Dirk,
vielen Dank für deinen erhellenden Kommentar. Du hast völlig recht, die Vorkriegs-Ikontas (und auch die Super Ikontas) kamen alle aus dem Contessa-Nettel Werk in Stuttgart. Erst nach dem Krieg hat man im VEB Werk Dresden die Kameras unter dem Namen Ercona quasi nachgebaut.
Da habe ich mich tatsächlich im Dschungel der verzwickten ZeissIkon-Konzerngeschichte verlaufen.
Nochmals vielen Dank für deine Aufmerksamkeit, ich habe die falsche Angabe in meinem Blogbeitrag inzwischen korrigiert.
Herzliche Grüße
Thomas
Hafermann
7. Juli 2021 — 15:50
Ich habe eine im Originalzustand mit Originaltasche, möchte sie an einen Sammler zu einen fairen Preis verkaufen, Hinweis: Sie hat lange gelegen und muss gereinigt werden, Erstbesitzer war mein Großvater.